Ich wollte Gymnasiallehrer werden, hatte dafür 12 Semester studiert und alle notwendigen Examina mit Erfolg abgelegt. Als ich 1975 mit dem Referendariat begann erhielt ich schon in der 1. Woche eine Aufforderung, zur „Anhörung“ aufs Oberschulamt zu kommen, wo mir mitgeteilt wurde, ich hätte im Februar 1974 an der Universität Freiburg als Angehöriger der „Kommunistischen Hochschulgruppe“ (KHG) zum Studentenparlament kandidiert. Um es kurz zu machen: Der Verfassungsschutz hatte die damalige Wahlzeitung eingesammelt, die jetzt zu meinem lebenslänglichen Berufsverbot führte. Die Grundlage dafür war der Ministerpräsidentenerlass vom 28.01.1972, auch „Radikalenerlass“ genannt. Die Bewerber für den öffentlichen Dienst, von denen vermutet wurde, dass sie nicht jederzeit für die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ eintreten würden, wurden nicht mehr in das Beamtenverhältnis übernommen. Alle Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden jetzt überprüft (Regelanfrage). Die Schnüffelei kannte keine Grenzen mehr. In den Folgejahren führte das zu 11.000 Berufsverbots- und bei den bereits verbeamteten Lehrer*innen zu 2200 Disziplinarverfahren mit 265 Entlassungen. Von den Bewerbern wurden 1250 abgelehnt. Einer davon war ich. Es gab damals besonders an den Universitäten, aber nicht nur dort eine starke fortschrittliche Bewegung, die jetzt um die Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit fürchten musste. So waren die Berufsverbote auch ein Mittel zur Unterdrückung außerparlamentarischer oppositioneller Bewegungen und haben eine ganze Generation demokratisch gesinnter Menschen eingeschüchtert. Das alles geschah vor über 50 Jahren und jetzt werden die gesetzlichen Grundlagen für neue Berufsverbote verabschiedet. In Brandenburg hat sich die Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen auf die Einführung eines bundesweit einmaligen „Verfassungstreue-Checks“ geeinigt. Wieder wird es vor der Einstellung von Bewerbern für den öffentlichen
Dienst eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz geben. Für Beamte, die sich erst während des Berufslebensradikalisieren, soll das Disziplinarrecht dahingehend geändert werden, dass man sie schneller los wird als bisher. Brandenburg macht den Anfang, die anderen Bundesländer werden nachziehen. Obwohl der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ Berufsverbote als Unrecht verurteilt hat und die ehemalig Betroffenen noch immer um ihre Rechte kämpfen müssen, haben die neuen Säuberungsaktionen des Staates bereits begonnen. Organisieren wir den entschlossenen Widerstand!
Andreas Salomon