Zur Geschichte des 1. Mai

Es war ein einfach gehaltener Antrag, den der französische Gewerkschafter Raymond Lavigne auf dem ab 14. Juli 1889 in Paris tagenden Internationalen Arbeiterkongress einbrachte: Den Forderungen der Arbeiterbewegung sollte am 1. Mai 1890 durch Demonstrationen und Massenstreiks „in allen Ländern“ Nachdruck verliehen werden. Dabei orientierte man sich an einem Termin, welcher von den US-Amerikanischen Gewerkschaften im Vorgriff auf den Kongress als Kampftag ausgerufen wurde – in Erinnerung an die Ereignisse rund um den Generalstreik in den USA wenige Jahre zuvor. Dieser begann am 1. Mai 1886 und hatte vor allem den bereits seit Ende des Bürgerkriegs 1865 geforderten Achtstundentages zum Thema. Gut 400.000 Beschäftigte im ganzen Land legten ihre Arbeit nieder. Ab dem 3. Mai kam es an mehreren Orten zu gewaltsamem Vorgehen der Polizei gegen die Streikenden. Am 4. Mai schließlich eskalierte eine Kundgebung am Chicagoer Haymarket, als eine Bombe sieben Polizeibeamte tötete. Acht anarchistisch orientierte Gewerkschafter wurden darauf des Mordes angeklagt, vier von ihnen 1887 hingerichtet. Die genauen Umstände dieses Zwischenfalls blieben indes ungeklärt. Der Arbeiterbewegung blieb er ins Gedächtnis geprägt.
Ursprünglich als einzelner Aktionstermin gedacht, wurde der 1. Mai auch in den Folgejahren stets zum Anlass genommen, für die Umsetzung der Beschlüsse des Arbeiterkongresses zu streiten. Das waren neben Gesetzen zur Arbeitszeitbegrenzung insbesondere auch ein allgemeines und gleiches Stimmrecht, Mindestlöhne sowie die Gleichberechtigung der Frauen. Letztere wurde auf dem Kongress zu einem unbedingten Teil der Arbeiterbewegung erklärt, womit ein großer innerer Streit beendet wurde: Einige Sozialisten waren bis dahin der Meinung gewesen, die Frauenarbeit müsse abgeschafft werden, doch „Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, solange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht.“, stellte Clara Zetkin in ihrer Rede lakonisch fest.
Auch in Deutschland wurde der 1. Mai wider enormer Repression schnell zur gewerkschaftlichen Tradition, bis zur Aufspaltung der Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkrieges in Einigkeit begangen. Mit der Novemberrevolution wurde der Achtstundentag als zentrales Anliegen eingeführt, doch war dies schon so ziemlich das Letzte, worauf SPD und KPD noch einigen konnten. Ab 1919 wurde er in einigen Ländern zum gesetzlichen Feiertag, doch die Spaltung kam auch in der kämpferischen Gestaltung des Tages durch die KPD gegenüber den volksfestähnlichen Veranstaltungen der SPD zum Ausdruck.
Ihren unrühmlichen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie 1929 im „Blutmai“. Der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel (SPD) ließ auf die im Vorfeld verbotene KPD-Demonstration feuern, wodurch 28 Menschen ihr Leben verloren. 
Bereits ab 1930 von Nazis unterwandert, wurde der 1. Mai 1933 zum „Tag der Nationalen Arbeit“ erklärt – ein gezielter und lang geplanter Schachzug der NSDAP, um die arbeitenden Massen für sich zu vereinnahmen. Die darauf folgende Zerschlagung der Gewerkschaften ließ nicht lange auf sich warten. Bis heute hört man viel zu oft vom 1. Mai als Produkt der Naziherrschaft – häufig leider in weitgehender Unkenntnis der langen Vorgeschichte.
Quellen: 
Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung in Daten, Dietz-Verlag Berlin, 1986