Wir wollen auf Missstände bei der Erfüllung von Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung im ländlichen Raum aufmerksam machen.
Alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und leider muss man das in unserer Leistungsgesellschaft auch betonen – Einkommen – haben ein Bedürfnis nach Mobilität. Das Mobilitätsbedürfnis kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel das Besuchen von Freund*innen oder Verwandten, der Weg zur Schule, und heute zum Tag der Arbeit richten wir den Fokus darauf.
Unserer politisches System erfuhr in den letzten Jahrzenten durch kontinuierlichen Rechtsruck unserer Gesellschaft einen steten Wandel, weg von der Solidargemeinschaft, hin zur Leistungsgesellschaft. Den traurigen Scheitelpunkt dieser Entwicklung kennzeichneten die Harz-Reformen der Agenda 2010, die die SPD unter Gerhard Schröder gemeinsam mit den Grünen, unter großen Applaus der CDU/CSU und der FDP und ständiger Hetze des großen Boulevardblatts mit den vier Buchstaben durchgedrückt hat. Seitdem zwingt der Staat seine Bevölkerung indirekt durch Gängelung, Diffamierung der Arbeitslosigkeit und Bürgergeld-Sanktionen zur Arbeit.
Und gleichwohl nach Vorstellung unseres angeblichen Sozialstaates jeder arbeiten muss, und die Reallohnentwicklung, beispielsweise geringfügig beschäftigter längst nicht mehr mit der Inflation und der Mietpreisentwicklung und der Kostensteigerung von Kraftstoffen schritthält, ist insbesondere der Weg zur Arbeit in Deutschland reine Privatsache. Wie viel Geld man im Monat hinlegen muss, um zur Arbeit zu kommen, kümmert weder den Staat, noch die Arbeitgeber.
Dies betrifft vor allem die Bevölkerung auf dem Land um ein vielfaches stärker, als Bewohner*innen in Städten und deren Ballungszentren, weil man ein öffentliches Verkehrsangebot, mit dem man problemlos zur Arbeit kommen kann, auf dem Land vergeblich sucht.
Obwohl die Bundesregierung zum 5. Oktober 2016 das Pariser Klimaschutzabkommen als völkerrechtlich verbindliches Abkommen zur Senkung der Treibhausgasemissionen verabschiedet hat, ist es in Deutschland mit einem Flickenteppich von 16 Bundesländern immer noch Ländersache, und somit ein Würfelspiel, ob man in einem Bundesland lebt, das öffentliche Mobilität als Daseinsvorsorge und als wichtigen Baustein für den Klimaschutz ernst nimmt oder nicht. Leider haben wir das Pech, das wir in Bayern leben. In Bayern zählt der öffentliche Personennahverkehr, mit Ausnahme des Schülerverkehrs nicht zur Daseinsvorsorge, sondern vielmehr ist er eine freiwillige Leistung, für den die Kommunen selbst bezahlen müssen. Wer Pech hat, lebt also in einer Gegend, in der die CSU-geführte Landesregierung – und der zuständige Landrat – seinen Bewohner*innen nur die Möglichkeit lässt, sich ein Auto zu kaufen, um mobil zu sein. Denn öffentliche Mobilität im ländlichen Raum findet in viel zu vielen Gegenden in Bayern immer noch nicht statt.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Autofokussierte Verkehrspolitik der CSU in Bayern, nach der jedwede Verantwortung für Fortbewegung auf den Geldbeutel, insbesondere von einkommensschwächeren Bürger*innen abgewälzt wird, widerspricht eklatant sowohl dem Sozialstaatsprinzip als auch den ratifizierten Pariser Klimaschutzzielen. Der Staat ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen, auch solche ohne Führerschein, dazu zählen unter anderem Jugendliche Menschen, alte Menschen, behinderte Menschen, und solche, die aus welchen Gründen auch immer keinen Führerschein besitzen dürfen, mobil sein können, und das barrierefrei! Es kann nicht sein, dass die CSU, beispielsweise vor allem von Bürgergeldempfänger*innen erwartet, arbeiten zu gehen, die Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum durch einen schlechten ÖPNV zum Autokauf oder sogar zum Umzug zwingt. Es kann eben nicht sein, dass einkommensschwache Menschen, einen immer größeren Teil ihrer Arbeitszeit dafür aufbringen müssen, sich das Auto, und die damit verbundenen Steuern, Versicherungs-, Kraftstoff und Werkstattkosten leisten zu können. Alternativen müssen her, und diese Alternativen sind öffentliche Verkehrsmittel.
Auch die CSU hat sich – ob es ihr gefällt oder nicht – an das Pariser Klimaschutzabkommen zu halten. Damit verbunden ist, die Verkehrswende ernst zu nehmen, und den Öffentlichen Personennahverkehr in unserer Region radikal auszubauen und zu stärken. Das Geld hierfür ist da. Was fehlt, sind die Landesgesetze, die den Kommunen in Bayern ein Mindestangebot vorschreiben. Denkbar wäre eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum von 5 Uhr bis 23 Uhr. Jedoch, weil ein solches Gesetz zur Folge hätte, dass die Landesregierung den Kommunen einen Großteil der Verkehrsleistung nach dem sogenannten „Konnexitätsprinzip“ – einfach gesagt, wer Anschafft, zahlt bezahlen müsste, drückt sie sich vor einem solchen Gesetz.
Aber wir fragen und ganz ehrlich: Was hat die Landesregierung mit einem solchen Gesetz zu verlieren? Ist doch gut, wenn mehr bayerisches Geld für Bayern, und weniger für den Länderfinanzausgleich ausgegeben wird.
Was für eine ordentliche Verkehrswende vor allem fehlt, und damit kommen wir zum letzten, und problematischsten Punkt, ist das Fahrpersonal, sowohl auf der Schiene, als auch auf der Straße. Allein in Bayern fehlen derzeit 4.000 Busfahrer*innen. Gründe hierfür sind der demographische Wandel, sowie die Abschaffung der Wehrpflicht mit der damit verbunden Führerscheinausbildung, die Trennung des Bus- vom LKW-Führerschein und ein schlechter Ruf des Berufsbilds aufgrund von schlechter Bezahlung, langen Dienstzeiten, und ein von Außenstehenden als stressig und zeitgleich monoton wahrgenommener Arbeitsalltag im Linienverkehr.
Allein die Einstiegshürden, Busfahrer*in zu werden sind hoch, schließlich kostet der Busführerschein mehr als 10.000 €. Die Arbeitsagentur zeigt sich hier trotz des Personalnotstands als knausrig, wenn es um die Kostenübernahme geht. Damit der Führerschein bezahlt wird, darf man kein eigenes Kapital haben, und es dürfen keine anderen Qualifikationen vorliegen, die einen für den Arbeitsmarkt anderweitig verwertbar machen. Zudem hängt viel vom Wohlwollen der zuständigen Sachbearbeiter*in der Arbeitsagentur hat. Arbeitgeber zahlen den Führerschein sowieso in den seltensten Fällen, es sei denn, Fahrpersonal verpflichtet sich, über einen Zeitraum von mehreren Jahren Vollzeit für die Firma tätig zu bleiben. Immerhin ist der Führerschein vollständig steuerlich absetzbar.
In Relation zu den hohen Hürden, den Führerschein überhaupt bezahlt zu bekommen, gleicht eine tarifliche Bezahlung von 17 € bis 19 € pro Stunde im bayerischen privaten Omnibusgewerbe, dann auch in Hinblick auf die Verantwortung des Jobs, einer prekären Beschäftigung!
Damit die Verkehrswende nicht wie derzeit, auf dem Rücken der Beschäftigten im Omnibusgewerbe ausgetragen wird, fordern wir von den Aufgabenträgern, deutlich mehr Geld für die Bezahlung der Fahrerinnen und Fahrer in die Hand zu nehmen, bei Ausschreibungen eine übertarifliche Bezahlung zu verankern, inklusive einer täglichen, steuerfreien Verpflegungs- und Mobilitätspauschale für das Fahrpersonal.
Von der Landesregierung erwarten wir die Verabschiedung einer Mobilitätsgarantie von mindestens 5 bis 23 Uhr an jeder Milchkanne, wie dies in anderen Bundesländern längst umgesetzt wird.
Von den Genoss*innen der Gewerkschaft ver.di erwarten wir, sich bei der Organisation von Arbeitskämpfen im bayerischen Omnibusgewerbe ein Beispiel an der GDL zu nehmen. Es ist irritierend dass ausgerechnet Bayern angesichts des eklatanten Fahrermangels nicht an den bundesweiten (Verkehrswende)Streiks teilgenommen hat, nachdem die letzte Tarifanpassung im Herbst 2023 auch nicht wirklich der ganz große Wurf, sondern nur eine überfällige Annäherung an Standards anderer Bundesländer gewesen ist.
Es darf auch keine Rolle spielen, ob es sich um Mitarbeiter*innen im öffentlichen Dienst oder im privaten Omnibusgewerbe handelt, es muss sich ganz grundlegend etwas an dem Berufsbild Berufskraftfahrer*in etwas ändern, damit wir die Verkehrswende hinbekommen.
Euch als Leser*innen bitten wir, eure zuständigen Landräte und Stadträte anzuschreiben, und einen Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu eurer Arbeit einzufordern, auch dann wenn ihr im Schichtbetrieb tätig seid. Nur wenn die verantwortlichen Stellen eure Bedürfnisse auf dem Schirm haben, wenn Landräte sehen, dass Druck von der Bevölkerung kommt, an den bestehenden öden Verhältnissen im ländlichen Raum etwas zu ändern, kann der Nahverkehr zu euren Gunsten besser und ein gegenüber dem PKW tatsächlich wettbewerbsfähiges Verkehrsmittel – auch in Bayern werden.